Wann ist der richtige Zeitpunkt, um Saatgut zu gewinnen? Und wie müssen die Samen geerntet, gereinigt und aufbewahrt werden, damit sie im kommenden Jahr keimen? Auf diese und viele weitere Fragen hatte Martin Kern, der sich am Dottenfelderhof mit dem Spezialgebiet Gemüsezüchtung befasst, sachkundige Antworten. Der Tages-Workshop Biologisches Saatgut aus dem eigenen Garten war Teil der gemeinsam mit der NABU Umweltwerkstatt Wetterau veranstalteten Permakultur-Reihe.
Das Entnehmen von Samen für die Nachzucht neuer Pflanzen ist eine der Kulturtechniken, die Voraussetzung dafür war, dass der Mensch sesshaft werden konnte. Durch die sorgfältige Auswahl von Eigenschaften (ertragreich, wüchsig, wohlschmeckend etc.) und das Kreuzen von Sorten mit unterschiedlichen Merkmalen ist im Laufe der Zeit ein riesiger Schatz an Kultursorten entstanden. Ein Schatz, der allerdings in den letzten Jahrzehnten durch die Konzentration des Saatgutmarktes in den Händen weniger globaler Saatgutkonzerne zu verarmen droht. Der Kauf von sortenfestem Saatgut und die Gewinnung aus eigenem Bestand ist daher nicht nur ein gärtnerischer, sondern längst auch ein politischer Akt.
Züchter betreiben bewusste Sortenauslese
Wer eher spielerisch an die Saatgutgewinnung herangeht und beispielsweise ein paar Samen seiner Lieblingstomaten zurücklegen möchte, muss nicht viel beachten – zumal Tomaten Selbstbestäuber sind und sich ihre Sortenmerkmale relativ einfach weiterführen lassen. Komplizierter wird es da schon bei Paprika und Chilis, sie können sich durch die Fremdbefruchtung von Bienen und Hummeln verkreuzen – die milde Paprika bekommt dann plötzlich pikante Schärfe. Wer sich bewusst um den Erhalt einer Sorte kümmern möchte, sollte daher wissen, ob es sich bei der jeweiligen Pflanze um einen Selbst- oder einen Fremdbestäuber (Wind oder Bienen/Hummeln) handelt. Zudem ist es hilfreich die Pflanzenfamilie (Korbblütler, Doldenblütler, Nachschattengewächse etc.) zu kennen, denn innerhalb der jeweiligen Art besteht die Möglichkeit bzw. Gefahr der gegenseitigen Bestäubung. Professionelle Saatguterzeuger wie der Dottenfelder Hof arbeiten aus diesem Grund mit Vlieshauben und Isoliertunnels, um unerwünschte Kreuzungen zu verhindern. Für alle, die tiefer in diese Materie einsteigen möchten, empfehlen wir das Standardwerk zur Saatgutgewinnung: „Handbuch Samengärtnerei“, herausgegeben von Arche Noah und Pro Specie Rara.
Praxis-Tipps zur Samenernte für den Hobbygärtner
Saatgut ist kein Abfallprodukt von Übriggebliebenem. Im Gegenteil: Gut entwickelte Früchte und Blüten von gesunden Pflanzen sind für die Samenentnahme gerade richtig. Geerntet werden die Samen in voll ausgereiftem Zustand. Bei Fruchtgemüsesorten wie Tomaten, Paprika, Zucchini, Gurken und Kürbissen zeigt der Farbumschlag den richtigen Zeitpunkt an (Beispiel Gurke: wenn sich in die Grünfärbung erste Gelbtöne mischen). Hülsenfrüchte wie Erbsen und Bohnen sollten in der trockenen Schale rascheln. Und Korbblütler wie Salat und viele Blumen sind erntereif, wenn die Blütenstände getrocknet und die Samen kurz davor sind von selbst auszufallen.
Trocken- und Nassreinigung von Saatgut
Das Ziel ist unabhängig von der Pflanze immer, die Samen sauber und trocken für das kommende Jahr einzulagern. Besonders einfach ist die Samenentnahme bei Hülsenfrüchten und Schoten. Sobald sie vollständig ausgetrocknet sind, müssen sie nur noch aufgebrochen werden, um die Samen zu entnehmen. Mais sollte am Kolben solange trocknen bis sich die Körner zusammenziehen und leicht auslösen lassen. Korbblütler, zu denen viele Blumen sowie Salat gehören, werden mit dem Samenstand geerntet und von Hand ausgezupft oder gedroschen und gesiebt, um die Samen von ihrer Hülle zu befreien. Bleiben noch die Fruchtgemüse wie Tomaten, Gurken, Zucchini und Melonen mit ihrem gallertartigen Überzug: Manche Hobbygärtner trocknen die Samen ohne Vorbehandlung. Hierbei besteht jedoch eine erhöhte Gefahr des Schimmels und Keimausfalls. Sicherer ist es, die entnommenen Samenkörner einer Nassreinigung zu unterziehen. Hier eine einfache Schritt-für-Schritt-Anleitung für Tomaten und alle anderen genannten Fruchtsamen. Der letzte Schritt ist die trockene Einlagerung und sorgfältige Beschriftung der Saatgutpäckchen. Zur Aufbewahrung können beispielsweise Filtertüten verwendet werden.
Mein Fazit zum Workshop-Tag: Welcher Ort in der Frankfurter Umgebung könnte besser für ein Saatgutseminar geeignet sein als der Dottenfelder Hof, wo unter anderem biologisches Saatgut für Bingenheimer gezogen wird. Es war eine schöne Mischung aus Theorie und Praxis, die Martin Kern uns rund um das Thema Saatgutgewinnung vermittelt hat. Mich persönlich hat der Tag noch einmal für die unglaubliche Geduld und das Wissen sensibilisiert, das in der Erhaltung von Gemüsesorten steckt. Wir werden daher weiter ganz bewusst die Anbieter von sortenfestem Saatgut und alten Kultursorten mit unserem Einkauf unterstützen. Zum Vergnügen und Hausgebrauch hat das Seminar Lust gemacht, mit dem Thema Samengewinnung aus dem eigenen Garten zu experimentieren!
Für alle, die tiefer in das Thema einsteigen möchten, hier noch die Buch-Tipps von Martin Kern:
- Bernward Geier: Biologisches Saatgut aus dem eigenen Garten (das war mein erstes Buch zum Thema)
- Ingeborg Haensel: Gemüse- und Blumensamen aus dem eigenen Garten
- Andrea Heistinger: Handbuch Samengärtnerei
- Marlies Ortner: Saatgut aus dem Hausgarten
- Reinhard Witt: Naturoase Wildgarten
- Reinhard Witt: Wildpflanzen für jeden Garten
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