Im Spaziertempo Orte entdecken, die für einen alternativen Lebensstil stehen, das ist das Prinzip von Stadtwandeln. Bei der ersten Tour durch den Frankfurter Stadtteil Rödelheim lernten die Teilnehmer ihren Kiez von einer neuen Seite kennen.
Stadtführung einmal anders: Bei den vom Energiereferat der Stadt Frankfurt und der Transition Town-Initiative veranstalteten Stadtwandeln-Touren geht es nicht um die Architektur oder Geschichte eines Orts, sondern um Menschen und Projekte, die das Leben im Stadtteil nachhaltiger und sozialer gestalten. In diesem Jahr stand neben den beiden bewährten Touren durch das Frankfurter Nordend/Bornheim und Bockenheim erstmals der Stadtteil Rödelheim auf dem Programm. Dr. Katrin Jurisch nahm die rund 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit auf einen kurzweiligen und informativen Rundgang, bei dem auch alteingesessene Rödelheimer noch Neues über ihre Nachbarschaft erfahren konnten.
Das Centro: ein Ort für das Miteinander im Stadtteil
Erste Station der rund 2,5-stündigen Tour war das Centro in der Straße Alt-Rödelheim. Das durch Spenden finanzierte und von Ehrenamtlichen getragene Stadtteilzentrum versteht sich als Ort des Austauschs und der Begegnung. Initiativen, Vereine und Einzelpersonen sind eingeladen, die Räumlichkeiten für Kultur, soziale Projekte und politische Debatten zu nutzen. David, einer der rund 20 Aktiven des Centro, beschreibt die Philosophie: „Unser Ansatz ist es, die Gesellschaft im Kleinen zu verändern, indem wir einen nicht-kommerziellen Raum für das nachbarschaftliche Miteinander im Stadtteil zur Verfügung stellen.“ Wie dieser gefüllt wird – vom Nachbarschaftsbrunch, über Lesungen und Krabbelgruppe bis hin zur Initiative gegen Mietenerhöhung und Gentrifizierung – entscheidet die Gemeinschaft. Anregungen und aktives Mittun neuer Besucher sind jederzeit willkommen.
Selbermachen statt konsumieren: Repaircafé und Papierschmuck-Werkstatt
Viel zu schade für den Müll sind die Geräte, die von den Tüftlern der Reparaturinitiative Rödelheim, der zweiten Station der Stadtwandeln-Tour, unentgeltlich zu neuem Leben erweckt werden. Da werden mit ein paar Handgriffen der kaputte Schalter einer Nachttischlampe ausgetauscht oder das zerschnittene Kabel eines Rasenmähers sachkundig geflickt. Jeden ersten Samstag im Monat können die Rödelheimer zwischen 15.00 und 18.00 Uhr ihre tragbaren Kleingeräte zur Reparatur in die vom Frankfurter Verband zur Verfügung gestellten Räume mitbringen. Mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit wollen die Aktiven des Repaircafé ein Zeichen gegen die weit verbreitete Wegwerfmentalität setzen.
Auf kreative Weise nähert sich auch Ulrike Weich dem Thema Weiterverwertung an, in deren malerischem Hof wir auf unserem Rundgang für eine Präsentation Halt machten: Die Rödelheimerin gestaltet aus teils recyceltem Papier farbenfrohen Schmuck und gibt ihr Wissen regelmäßig im Rahmen von Workshops, beispielsweise in der Stadtteilbibliothek, weiter.
Vom Bahnhofsgrün Rödelheim zum Nachbarschaftsbüro
Bei einer Stadttour, die für aktiven Klimaschutz und Anpassungsstrategien an den Klimawandel sensibilisieren möchte, sind die Begrünung des öffentlichen Raums und der Erhalt der Artenvielfalt weitere wichtige Themen. Stellvertretend dafür steht das vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und dem Quartiersmanagement Rödelheim gestaltete Bahnhofsgrün Rödelheim. Jurisch, die selbst zu den Initiatoren des Projekts gehört, erläuterte, wie sich die Fläche seit den Anfängen in 2013 zu einem insektenfreundlichen Biotop inmitten der Stadt gewandelt hat.
Schon die kleine Auswahl der hier vorgestellten Projekte zeigt, dass sich viele Rödelheimer für ihren Stadtteil und Projekte, die ihnen am Herzen liegen, engagieren wollen. Ein wichtiger Impulsgeber für das Miteinander in Rödelheim ist das Quartiersmanagement im Rahmen des „Frankfurter Programms – Aktive Nachbarschaft“. Quartiersmanagerin Heike Hecker stellte bei unserem Besuch einen kleinen Ausschnitt der vielfältigen Aktivitäten vor, darunter den beliebten Haus- und Hofflohmarkt, der mittlerweile zum Vorbild für viele weitere Stadtteilflohmärkte geworden ist, das Rödelheim-müllfrei-Projekt oder die erstmals veranstaltete Pflanzentauschbörse, die im kommenden Jahr wiederholt werden soll.
Ein Übergangszuhause für Menschen aus 18 Nationen
Den Abschluss der abwechslungsreichen Tour bildete die von den Johannitern betriebene Unterkunft für Geflüchtete „In der Au“. Die Mitarbeiterinnen Nathalie und Vafa berichteten über den Alltag der rund 230 Bewohnerinnen und Bewohner aus 18 Nationen, die seit 2016 in Rödelheim ein neues Zuhause gefunden haben. Einfach ist das Zusammenleben auf engstem Raum nicht. Die einen müssen mit der Ungewissheit zurechtkommen, ob ihr Antrag auf Asylberechtigung anerkannt wird. Andere Bewohner der Unterkunft haben bereits einen positiven Bescheid erhalten, finden aber im überhitzten Frankfurter Wohnungsmarkt keine Bleibe. „Das Leben in dieser Warteschleife kann belastend sein“, weiß Johanniter-Mitarbeiterin Nathalie, „und doch ist Rödelheim ein guter Startpunkt für die geflüchteten Menschen.“ Das unaufgeregte Rödelheim ermöglicht ihnen das dringend nötige Maß an Normalität in der Ausnahmesituation, die jede Flucht bedeutet. Aktive Unterstützung bei der Integration leistet die Rödelheimer Initiative WiR – Willkommen in Rödelheim, der sich ehrenamtliche Helfer aus dem Stadtteil gerne anschließen können.
Wer nun neugierig auf die alternativen Stadtrundgänge geworden ist: Zwei Gelegenheiten zum Stadtwandeln gibt es in diesem Jahr noch: Hier die Termine und die Möglichkeit zum Anmelden (die Teilnehmerzahl ist begrenzt).
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