Wer sich einem Kleingartenverein anschloss, wurde lange Jahre als Spießer und Vereinsmeier belächelt. Inzwischen erlebt die Parzelle im Grünen eine echte Renaissance: Gestresste Büroarbeiter tanken bei der Arbeit mit Erde und Pflanzen frische Energie, Ernährungsbewusste schätzen ihr selbstgezogenes Biogemüse und wer Anschluss sucht, kann den sozialen Austausch über den Gartenzaun pflegen.
Das Gärtnern hat in Frankfurt eine lange Tradition – so wurden in den 1920er Jahren vom Architekten und Stadtplaner Ernst May beim Bau neuer Siedlungen auch Gartenflächen zur Erholung und Selbstversorgung angelegt. Wer heute einen Kleingarten sucht, findet in nahezu jedem Frankfurter Stadtteil geeignete Grundstücke. Interessenten haben die Wahl zwischen Privatgrundstücken, von der Stadt verpachteten Parzellen sowie rund 16.000 Kleingärten, die von den mehr als 100 Kleingartenvereinen in Frankfurt verwaltet werden. Für eine Anfrage wendet man sich am besten direkt an die Ansprechpartner vor Ort.
Die Kleingärtner von heute haben andere Motive
Ich habe mich zum Thema Neue Lust am Kleingarten mit Hannelore Dörr, der 1. Vorsitzenden der Stadtgruppe Frankfurt (Dachorganisation aller Kleingartenvereine im Stadtgebiet), unterhalten. Sie selbst hat seit 40 Jahren einen Kleingarten und engagiert sich beinahe ebenso lange ehrenamtlich in der Vereinsorganisation. Das neu erwachte Interesse am Gärtnern findet sie sehr erfreulich und hofft auf viele jüngere Mitglieder, die Verantwortung übernehmen und das Vereinsleben aktiv mitgestalten möchten.
Frankfurter Beete: Frau Dörr, in den Medien ist häufig von einer neuen Lust am Kleingarten die Rede. Findet im Prinzip noch jeder Interessent einen Garten oder gibt es inzwischen lange Wartelisten in den Frankfurter Vereinen?
Dörr: Das hängt vom Stadtteil ab. Für besonders beliebte Anlagen gibt es tatsächlich Wartelisten. Das muss aber niemanden abschrecken. Wer sich für einen Kleingarten in seiner Wohnumgebung interessiert, sollte direkt bei den Vereinen vor Ort nachfragen. Es werden immer wieder Gärten aufgegeben und dann müssen zeitnah Nachfolger gefunden werden.
Frankfurter Beete: Bei Ihrer Arbeit für die Kleingartenvereine haben Sie sicher eine Menge Pächter kommen und gehen sehen. Motiviert die Kleingärtner heute etwas anderes als in früheren Zeiten?
Dörr: Sie haben es ja eingangs beschrieben – der Garten als Erholungsort und Quelle zur Selbstversorgung, diese Motive gab es auch schon vor einhundert Jahren. Was sich verändert hat, ist das Bewusstsein der Leute. Die einen wollen sich mit gesunden Lebensmitteln versorgen, andere sehen das Gärtnern als Ausgleich zum Stress im Beruf. Für junge Familien ist vor allem der Freizeitwert des Gartens wichtig – die Kinder können ungestört spielen, aber auch aus erster Hand erfahren, wo das Gemüse und Obst herkommt.
Frankfurter Beete: Frankfurt ist eine multikulturelle Stadt. Sind die Kleingartenvereine offen für Mitglieder unterschiedlicher Nationalitäten? Und wie klappt die Verständigung über den Gartenzaun?
Dörr: Die Frankfurter Kleingartenvereine sind so international wie die Stadt selbst. Es gibt Vereine, in denen haben Mitglieder aus mehr als zwanzig Nationen einen Garten gepachtet. In aller Regel klappt das Miteinander sehr gut. Wie überall, wo Menschen auf engem Raum zusammentreffen, gibt es aber auch Konflikte. Dann müssen wir an die Toleranz der Beteiligten appellieren und auf die Regeln in der Satzung verweisen, die jeder Pächter mit dem Unterzeichnen seines Vertrags anerkennt.
Frankfurter Beete: Die Stadt Frankfurt hat es bis in die Endrunde des Green Capital Awards 2014 geschafft, Projekte rund um die Themen Nachhaltigkeit und Gärtnern in der Stadt erfahren gerade viel Beachtung. Welche Rolle kommt den Kleingartenvereinen vor diesem Hintergrund zu?
Dörr: Die Kleingärten in und um Frankfurt übernehmen eine wichtige Funktion für das Stadtklima und als Rückzugsort für zahlreiche Vögel und Kleintiere. Zudem wird in den Vereinen das Wissen um die Kultivierung von Pflanzen und Gehölzen aktiv gepflegt. Diese Erfahrung geben wir gerne weiter, beispielsweise an Kindergärten oder Schulen, die über die Einrichtung eines Gartens nachdenken. Hier können wir jederzeit angesprochen werden und leisten gerne praktische Unterstützung.
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