Mit Pflanzen und Tieren haben es die Prüfer der Hochschule für Gestaltung in Offenbach eigentlich eher selten zu tun. Es war daher schon ein Wagnis, dass Linda Horn, die bis zum Herbst an der HfG Kommunikationsdesign studierte, ihre gesamte Abschlussarbeit rund um das Thema Bienen und ökologische Nachhaltigkeit aufbaute. Ihr Mut wurde belohnt: Mit dem Konzept eines ‚Bestäubungsraums‘ für Mensch und Bienen schloss sie ihr Studium im November mit Auszeichnung ab.
Wie so häufig liegt das kreative Potenzial gerade an den Orten verborgen, die ihren Charme erst auf den zweiten oder dritten Blick offenbaren. Der Satellit-Standort der HfG in der Offenbacher Geleitsstraße 103 – ein funktionaler vierstöckiger Bau aus der Nachkriegszeit, in dem die Ateliers und Werkstätten der Studierenden untergebracht sind – ist so ein Ort. Linda Horn, die im Rahmen ihres Studiums einen der Atelierräume nutzt, erkannte bei aller Tristheit die Gestaltungsmöglichkeiten. Die HfG-Absolventin berichtet über die Anfänge ihres Projekts: „Ich interessiere mich seit längerem für Themen wie ökologische Nachhaltigkeit und urbane Selbstversorgung und hatte über Freunde bereits einen persönlichen Bezug zur Imkerei. So entstand im Frühjahr 2014 zunächst die Idee, auf dem Dach des HfG-Gebäudes ein Bienenvolk anzusiedeln.“
Pflanzen und Tiere sorgen für Belebung
Auch wenn die befreundeten Imker aus der Wetterau das Vorhaben mit Rat und den ersten Beuten unterstützten, ganz ohne praktische Erfahrung wollte Horn nicht ihr Bienenprojekt starten. Sie nutzte daher gerne das Angebot des Offenbacher Imkervereins zum Probeimkern, bei dem Anfänger eine Saison lang den Umgang mit einem Bienenvolk erlernen und jederzeit einen kompetenten Ansprechpartner für ihre Fragen haben. „Der nächste logische Schritt war dann die Verwandlung der tristen Begrünung rund um das Gebäude in Beete mit bienenfreundlichen Pflanzen“, beschreibt Horn die Entwicklung ihres Projekts. Der Einsatz zahlte sich aus: Im Sommer zogen blühende Cosmeen, Gelbsenf, Lavendel und Sonnenblumen nicht nur die Honigbienen vom Dach magisch an, sondern auch Hummeln und Schmetterlinge aus der Umgebung – plötzlich wirkte der Hof rund um das Gebäude belebt.
Begegnungen, Austausch und Zusammenarbeit fördern
Mit der Gestaltung des Außenbereichs gewann der Hof deutlich an Aufenthaltsqualität. Daraus entstanden wiederum neue Ideen, für die Horn auch Mitstreiter unter den HfG-Studierenden gewinnen konnte. Bei meinem Besuch im November sind die Sitzmöbel, die Horn gemeinsam mit Kommilitonen aus Holz und recycelten Materialien entworfen und umgesetzt hat, schon winterfest eingepackt. Bei wärmeren Temperaturen sind sie ein beliebter Treffpunkt für die Studierenden – ein Effekt, den die HfG-Absolventin ganz bewusst mit ihrem Konzept des Bestäubungsraums angestrebt hat. Horn: „Im Gebäude gibt es wenig Plätze, die den Austausch und die Begegnung fördern, dadurch kamen die Studierenden der verschiedenen Fächerschwerpunkte und Studienjahrgänge kaum miteinander in Kontakt. Beim Werkeln und Feiern im Außenbereich haben sich dagegen wie von selbst neue Ideen zur gemeinsamen Gestaltung des Geländes ergeben.“
Die Wabe als verbindendes Gestaltungselement
Ein Ergebnis der inspirierenden Atmosphäre ist beispielsweise ein mehrere Quadratmeter umspannendes Fassadengemälde, das in einer Gemeinschaftsarbeit entstand. Die Materialien hierfür wie auch für die Sitzmöbel, die Begrünung und den Umbau eines Camping-Anhängers zur Minibar für Hoffeste wurden über Spenden und eine Crowdfunding-Kampagne bei Startnext finanziert. Den Clip hierzu hat Horn ebenso produziert wie sämtliche grafischen Materialien von Plakaten bis zum Etikett der ersten Ernte ihres Satellit-Honigs. Bei der Umsetzung zeigt sich die ästhetische Handschrift der HfG-Absolventin: Ob Wandgestaltung, Sitzmöbel oder Druckerzeugnisse, immer wieder taucht die charakteristische Form der Wabe als verbindendes Gestaltungselement auf. Das Schöne an der Wabenstruktur ist, dass sie praktisch zu Erweiterung einlädt. Das wünscht sich Horn auch für ihren Bestäubungsraum: „Die Bienen auf dem Dach haben eine Menge in Bewegung gebracht. Mein Wunsch wäre, dass das Projekt weiter wächst und andere HfG-Studierende neue Facetten hinzufügen.“
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