Ein freies Wochenende bei frühlingshaften Temperaturen in Berlin – ich habe mir die üblichen Sehenswürdigkeiten gespart und die Hauptstadt lieber bei einer persönlichen Urban Gardening-Tour erkundet. Meine Begegnungen mit Berliner Stadtgärtnern zeigen die Vielfalt und unterschiedlichen Qualitäten, die Gemeinschaftsgärten haben können…
Berlin hat im Urban Gardening viele Jahre Vorsprung vor Frankfurt. Entsprechend hoch ist die Zahl der Gemeinschaftsgärten im Stadtgebiet. Ich habe mir aus den mehr als 30 Projekten drei für meine Tour herausgepickt und als erstes den Prinzessinnengarten angesteuert, der am Samstagvormittag zum Pflanztag eingeladen hatte. Vom Aushängeschild der Szene hatte ich einen durchgestylten Außenauftritt erwartet. Tatsächlich wäre ich beinahe an der zu dieser Jahreszeit noch wenig grünen Brachfläche Ecke Prinzen-/ Oranienstraße vorbeigelaufen. Den Eingang fand ich zugesperrt. Dafür warteten mit mir die ersten Pflanzwilligen vor der Tür – zwei Franzosen und zwei Deutsche aus der Nachbarschaft, die an diesem Tag „einfach Lust hatten, an der frischen Luft zu arbeiten“. Der Pflanztag musste dann leider ausfallen, weil sich nur eine Notbesetzung vom Prinzessinnengarten einfand. Eine wichtige Funktion hatte der Garten aber trotzdem schon erfüllt: Er brachte eine Gruppe von Leuten ins Gespräch, die vorher keine Berührungspunkte miteinander hatten. Und während ich mich nach einem Rundgang über das 6.000 Quadratmeter umfassende Gelände wieder verabschiedete, saßen die neuen Bekannten noch bei einem Kaffee aus dem Gartenkiosk zusammen und plauderten über das Wohnen und Leben im Kiez.
Offene Aufnahme bei den Gärtnern vom Himmelbeet
Meine zweite Anlaufstation war ein Gemeinschaftsgarten im Berliner Stadtteil Wedding mit dem viel versprechenden Namen Himmelbeet. Nach meiner Vorrecherche im Internet war ich auf einen Gemeinschaftsgarten auf dem Dach eines Einkaufszentrums eingestellt. Die Gärtner vom Himmelbeet erzählten mir dann auch, dass das ursprünglich geplant, wegen statischer Probleme jedoch verworfen wurde. Nun hat der interkulturelle Garten seine Bleibe auf einer großen Brachfläche an der Ruheplatzstraße mit viel Raum für Hochbeete und einen Gartenkiosk, der an diesem Wochenende in Gemeinschaftsarbeit ausgebaut wurde. Bei der Nutzung der Fläche gehen die Initiatoren einen interessanten Weg: Sie kombinieren gemeinsam gepflegte Beete mit dem Prinzip von Pachtbeeten für Einzelpersonen. Die Nachfrage aus der Nachbarschaft ist riesig – für die laufende Saison sind alle Beete bereits vergeben. Und auch hier lässt sich die soziale Stärke der Gemeinschaftsgärten und ihre Funktion für das Stadtviertel beobachten: Das Pflanzen, Pflegen und Ernten bringt die Menschen zwanglos und über die üblichen sozialen Barrieren hinweg zusammen. Alice vom Gartencafé erzählte mir, dass auf diese Weise viele neue Kontakte in der Nachbarschaft entstanden sind und sie plötzlich auf der Straße als „die vom Himmelbeet“ erkannt wird. Dazu trägt auch bei, dass der Garten regelmäßig Workshops und alle zwei Wochen in Kooperation mit einer Tangoschule eine Gartenmilonga veranstaltet. Ich hätte sofort zur Harke greifen und einen Gartentag in der netten Gesellschaft der Himmelbeetler verbringen können. Ich wollte mir aber noch ein weiteres Projekt ansehen.
Szene-Location auf dem Parkdeck
Die Idee des Gärtnerns in luftiger Höhe ließ mich nicht los – schließlich gibt es in Frankfurt eine Menge Hochhäuser mit ungenutzten Dachflächen. Daher zog es mich zum Dachgarten Klunkerkranich auf dem Parkdeck der Neukölln Arcaden. Wer die Rampe des Parkhauses hochläuft, wird oben erstmal mit der Aussicht auf Berlin und den Fernsehturm belohnt – ein außergewöhnlicher Ort zum Gärtnern in luftiger Höhe. Die Hochbeete waren an diesem Samstagnachmittag sich selbst überlassen. Stattdessen unterhielt ich mich mit dem Kassierer über die Eintrittspreise. Er erklärte mir, dass der Eintritt tagsüber frei sei und nur am Abend ein mit drei Euro relativ niedriger Obolus für die Künstler und Bands zu entrichten ist, die dort regelmäßig auftreten. Keine Frage, eine anständige Gage für Künstler finde ich absolut legitim. Ein zuvor ausgesprochenes Fotoverbot sowie die Verbindung von Gartenprojekt und Kassenhäuschen hinterließ bei mir dennoch das befremdliche Gefühl, dass sich hier eine Szene-Location einen grünen Anstrich gibt, weil das gerade dem Zeitgeist entspricht. Mit den nachhaltigen und sozialen Qualitäten, die ich an unseren Gartenprojekten in Frankfurt sowie den hier beschriebenen Projekten Prinzessinnengarten und Himmelbeet schätze, hat das meiner Meinung nach wenig zu tun. Ich habe mir dann lieber eine Pizza und einen Wein beim Italiener um die Ecke gegönnt und beim anschließenden Abendspaziergang nach Spuren der Guerilla Gardener im Berliner Stadtbild gefahndet – garantiert kostenfrei…
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