Was ist typisierte Selbstversorgung und wie wurde sie in die Tat umgesetzt? Diese und andere Fragen beantwortete eine spannende Führung, die am vergangenen Samstag im historischen Kleingarten der ernst-may-gesellschaft in der Frankfurter Römerstadt stattfand. Katharina Rohloff und Jens Reuver hatten zu der rund einstündigen Besichtigung geladen. Seit diesem Jahr betreuen sie ehrenamtlich den 270 Quadratmeter großen Kleingarten, zu dem auch eine kleine Laube gehört, die noch aus den 1920er Jahren stammt. Bei ihrem Vortrag erfuhren wir viel über die Gründe, die den damaligen Stadtbaurat Ernst May veranlassten, ein Konzept für Nutzgärten in der Siedlung Römerstadt zu entwickeln und umzusetzen. Gerade heute, im Zeichen von Urban Gardening und SoLawi, erscheinen die damaligen Ideen aktueller denn je.
Genormtes Grün – die Kleingartenanlage Römerstadt
Beim Bau der Römerstadt legte May großen Wert auf den Zugang zu Grün. Vor allem für die Bewohner der Mehrfamilienhäuser hatte der Stadtdezernent Pachtgärten vorgesehen. Grund war, dass sie keinen eigenen Garten besaßen, wie die dortigen Einfamilienhäuser. Für die Umsetzung des Kleingartenkonzepts verpflichtete er Gartenbaudirektor Max Bromme und Landschaftsarchitekt Leberecht Migge, der auch die Grünflächenplanung des Neuen Frankfurt leitete. Vor allem Migge war ein glühender Verfechter der Selbstversorgung, die mithilfe der Nutzgärten umgesetzt werden sollte. Um diese wirtschaftlich bauen zu können, kam die so genannte Typisierung zum Einsatz. „So wurden zum Beispiel die Bauteile für die Lauben nach Norm vorgefertigt. Dadurch waren sie günstiger in der Produktion“, verdeutlicht Jens Reuver. Entworfen hatte die Lauben die Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky, bekannt durch die „Frankfurter Küche“. In jedem Garten in der Römerstadt stand die gleiche Laube vom sogenannten Typ 2, die die Kleingärtner selbst zusammenbauten. Mit ihrer Größe von rund vier Quadratmetern wirkte sie im Vergleich zu heutigen Gartenhütten winzig.
Anbautipps vom Gartenamt
Der Gedanke der Selbstversorgung war damals geprägt durch die Unsicherheit in Bezug auf die Versorgung mit Lebensmitteln in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. So wurde genau errechnet, wie viel Obst und Gemüse eine mehrköpfige Familie anbauen musste, um sich selbst versorgen zu können. „Das städtische Gartenamt machte genaue Vorschläge, wie die Gärten idealerweise zu bepflanzen seien“, sagt Katharina Rohloff. „Um einen möglichst hohen Ertrag zu erreichen, sollte das Gemüse zudem in einer Art Dreifelderwirtschaft angebaut werden.“ Üblich waren unter anderem Kohl, Kartoffeln, Lauch und Bohnen. Bei den Obstsorten herrschten Beeren, Äpfel, Quitten und Kirschen vor. Auch Rohloff und Reuter wollen möglichst „originalgetreu“ gärtnern und bauen alte Sorten wie die Sieglinde-Kartoffel und Mieze-Schindler-Erdbeeren an. „Um die Erträge zu erhöhen, wurde damals viel Chemiedünger verwandt“, sagt Reuter. „Wir gärtnern jedoch rein biologisch.“
Einladung zur Besichtigung des historischen Kleingartens
Wer sich den historischen Kleingarten in der Römerstadt anschauen möchte, hat dazu jeden 1. und 3. Samstag im Monat zwischen 11.00 Uhr und 14.00 Uhr Gelegenheit. Dann öffnen die beiden ehrenamtlichen Kleingärtner ihr Gartentor für Besucher. Treffpunkt: Kleingartenanlage Römerstadt II – Heddernheim (Parzelle 16), Frankfurt-Römerstadt.
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