Bei Urban Gardening denken viele an Gemeinschaftsgärten auf öffentlichen Plätzen mitten in der Stadt oder auf Dachgärten, die zwischen Häuserschluchten gedeihen. Doch urbanes Gärtnern ist weit vielseitiger, wie das Beispiel der Wartburgkirche im Frankfurter Nordend zeigt. Anfang Juli entstand dort direkt neben dem Kirchengebäude ein kunstvoll angelegter Nutzgarten, der von Pfarrer Thomas Diemer und zehn Gartenpaten liebevoll gepflegt wird.
Die Idee für den Gemeinschaftsgarten kam Pfarrer Diemer nach dem Bau einer Krabbelstube auf dem Kirchengelände. „Da war einfach noch Platz neben der Kirche, ein schmaler Streifen, der bislang nur als Durchgang zu unserer Kirchwiese genutzt wurde“, sagt er. „Bei einer Gemeindeveranstal- tung habe ich Kai Janssen, einem befreundeten Archi- tekten, von meiner Idee erzählt. Dieser erklärte sich sofort bereit, die Planung zu übernehmen.“
Dass hier jemand mit Liebe zum Detail vorgegangen ist, merke ich gleich beim Betreten des kleinen Gartens: Ein schmaler Pfad mäandert zwischen den schön angelegten Beeten. An seinem Ende liegt eine kleine Kräuterschnecke. Auffälligstes Merkmal sind zwei rund drei Meter hohe Bohnengestelle, die dafür sorgen, dass der Kirchgarten schon von weitem sichtbar ist. Teile einer gefällten Weide und anderes Gehölz sind an den Rändern dekorativ platziert. „Sie sollen im Winter als Insektenhotel dienen“, verrät mir Diemer. „Diese Idee wurde übrigens von der benachbarten Gärtnerei Klumpen realisiert, die uns auch sonst sehr großzügig unterstützt hat.“
Eine ideale Lage
Die Lage des Gartens ist gut gewählt, denn er liegt direkt an der Südmauer des Kirchengebäudes. Entsprechend viele Sonn- enstunden gibt es dort. Dadurch wächst und gedeiht anscheinend nahezu alles – von Tomaten, über Rosenkohl und Kräutern bis hin zu wildem Wein, der an der Mauer hochrankt. Pfarrer Diemer reicht mir ein paar Trauben, sie sind köstlich. Während er den Garten mit einem Schlauch wässert, erzählt er weiter von dem Projekt: „Jeder der mitmachen möchte, ist herzlich eingeladen. Derzeit gibt es zehn Patinnen und Paten, die mithelfen, alles Leute, die bislang mit der Gemeinde gar nichts zu tun hatten.“ Diemer spricht damit ein Phänomen an, das er seit längerem bei der Gemeindearbeit beobachtet. „Früher hat die Gemeinde alles selbst gemacht. Inzwischen fragen mich immer mehr Menschen, die gar nicht in der Kirche sind, ob sie sich sozial engagieren können. So gibt es bei uns bspw. einmal im Monat ein Obdachlosenfrühstück, das von Mitgliedern und Nichtmitgliedern gemeinsam ehrenamtlich durchgeführt wird.“
Vielfältige Projekte in der Gemeinde
Der Kirchgarten ist indes nicht das einzige nachhaltige Projekt, das Pfarrer Diemer in der Wartburggemeinde initiiert hat. Bereits seit drei Jahren summen Bienen in dem rund 40 Meter hohen und nach einer Seite offenen Glockenturm. Betreut werden sie von Hobbyimker Olav Peusser. Fünf Bienenstöcke hat er in einer luftigen Höhe von etwa fünf Metern aufgestellt. Vielleicht stammen ja auch einige der fleißigen Insekten, die in unserem nahe gelegenen Kleingarten nach Nektar suchen, von dort. Nicht nur das Bienenprojekt, auch der „Turmhonig“, von dem jedes Jahr rund 50 Kilo produziert werden, hat sich bereits über die Gemeinde hinaus herumgesprochen. Doch Pfarrer Diemer plant bereits die nächste Aktion. „Wir haben viel Platz auf unserem Kirchengelände“, verrät er. „Deshalb möchte ich noch eine künstliche Höhle für Fledermäuse schaffen, die hier in den Sommernächten nach Insekten suchen.“
Außergewöhnliche Architektur
Ein Besuch der Wartburggemeinde lohnt sich also nicht nur für Kirchgänger. Neben dem Garten und den Bienenstöcken gibt es auch die außergewöhnliche Architektur zu bewundern, die aus den 1960er Jahren stammte. Der Erfurter Architekt und Maler Dr. Werner Neumann hatte neben anderen evangelischen Kirchenbauten in Hessen auch die Wartburgkirche entworfen. Bei einem Rundgang durch das Kirchengebäude zeigt mir Pfarrer Diemer interessante architektonische Details, wie zum Beispiel das große Buntglasfenster in der südlichen Kirchwand, das ein ganz besonderes Licht erzeugt. Wer hätte gedacht, dass ein Kirchenbesuch so spannend sein kann?
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