Urbanes Gärtnern

Der öffentliche Raum geht uns alle an

Guerilla Gardening – da denkt man an nächtliche Streifzüge durch die Stadt und das heimliche Werfen von Samenbomben. Katrin Jurisch ist Ansprechpartnerin für das Thema Urbanes Gärtnern beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Frankfurt. Seit drei Jahren kümmert sie sich um die Bepflanzung und Pflege städtischer Grünflächen und das für jeden Vorbeikommenden offen sichtbar. Im Interview berichtet sie über ihre Erfahrungen.

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Katrin Jurisch beim ‚Wilden Gärtnern‘ im öffentlichen Raum. Bildquelle: Ingrid Zöllner

Frankfurter Beete: Das Projekt „Wildes Gärtnern (Guerilla Gardening)“ des BUND Frankfurt kümmert sich an verschiedenen Orten in Frankfurt um städtische Grünflächen. Worin besteht der Reiz des Gärtnerns im öffentlichen Raum?

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Immergrüne Einheitsbepflanzung – Artenvielfalt wird hier der leichten Pflege geopfert.

Jurisch: Zunächst geht es um die Freude an der Verschönerung des unmittelbaren Wohnumfeldes. Wildes Gärtnern richtet sich gegen konforme Nutzungszuweisungen und betont, dass die Stadt allen gehört und eine Beteiligung an gestalterischen Prozessen viel zu selten stattfindet. Eine weitere Motivation ist für mich der Wunsch nach einer größeren Vielfalt im städtischen Grün. Frankfurt unterstützt zwar die Imkerei im Stadtgebiet. Bei den öffentlichen Grünflächen geht es aber zuerst darum, dass sie möglichst praktisch, kostengünstig und pflegeleicht sind. Das führt zu eintönigen Bepflanzungen, die Bienen, Hummeln, Schmetterlingen und vielen anderen Insekten kaum Nahrung bieten. Beim Pflanzen von Gemüse an Orten, wo man es nicht erwartet, ist es einfach spannend zu sehen, wie lange es stehen bleibt und ob es überhaupt jemandem auffällt.

Frankfurter Beete: Wie sollte ein grüneres Frankfurt idealerweise aussehen?

Jurisch: Schön wären weniger versiegelte, also betonierte Plätze. Mehr Grün an Orten, die nicht unbedingt Pflanzen vorsehen. Eben eine Aufhebung von strengen Nutzungszuweisungen nach dem Motto, hier ist die Grünanlage und nur dort soll es Grün geben. Ich würde mir ein produktives Nebeneinander von allen Formen des Urban Gardening wünschen, von Gemeinschaftsgärten wie am Kirchplatz in Ginnheim, auf dem ehemaligen Gelände des Hafen 2 in Offenbach oder auch dem Frankfurter Garten am Danziger Platz. Außerdem sollten Schulgärten gefördert werden sowie die Begrünung von Fassaden und Dächern, wo es möglich ist, Wildblumenwiesen in städtischen Parks, Bereiche zum Naturerleben mit Spontanvegetation und vieles mehr. Dazu gehören auch mehr gärtnerische Freiräume in der Stadt, nicht nur an marginalen Standorten. Begrüßenswert wäre die Anregung von Patenschaften durch die Stadt – nicht, um Pflege auszulagern und sich aus der Verantwortung zu nehmen, sondern um die Bürger bei der Entwicklung und Betreuung von Grünflächen bewusst einzubeziehen. Die städtischen Mittel für die Grünanlagen sollen ohnehin gekürzt werden, so dass hier die Chance bestünde, die Flächen langfristig ökologisch zu entwickeln.

Frankfurter Beete: Von dieser Vision ist Frankfurt aber noch ein gutes Stück weit entfernt. Einstweilen geht es beim Guerilla Gardening um kleinere Projekte mit Signalwirkung. Was ist beim Anlegen und Pflegen einer solchen Fläche zu beachten?

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Pflanzen am Straßenrand müssen robust sein. Bewährt haben sich mediterrane Arten wie Lavendel und Salbei oder auch Dauerblüher wie Ringelblume, Mädchenauge und Kokardenblume. Hier im Bild: die gelben Rispen der Goldrute und rosa blühender Sonnenhut.

Jurisch: Bewährt haben sich Pflanzgefäße, weil diese von Hundekot und Tritt verschont bleiben, aber auch Bereiche, die von Rasenmähern gern ausgespart werden. Wer auf einer freien Fläche anpflanzt, muss sich darüber im Klaren sein, dass in Frankfurt oft nur eine sehr dünne Schicht Mutterboden vorhanden ist. Darunter findet sich Bau- oder auch Kriegsschutt. Viele Standorte fallen daher schnell trocken und müssen entsprechend häufig gewässert werden. Wir streben eine naturnahe Bepflanzung mit möglichst einheimischen Arten an und verwenden daher gerne Spenden, die wir aus Frankfurter Gärten mit einem entsprechenden Bestand erhalten. Diese Pflanzen sind bereits gut an das Frankfurter Klima angepasst und behaupten sich auch bei extremen Umweltbedingungen wie Staub und Wind. Generell ist uns die Langfristigkeit der Projekte wichtig: Nicht nur schönes Blühen in einem Sommer, sondern in ganz vielen Sommern. Das bedeutet auch, man muss sich um die Standorte kümmern, zu große und übermächtig wachsende Wildkräuter entfernen, ggf. nachpflanzen, gießen, wenn es zu heiß ist und vor dem Winter die Pflanzen abdecken, damit sie nicht erfrieren. Das alles nimmt Zeit in Anspruch und muss bedacht werden, wenn man wirklich längerfristig eine Fläche gestalten möchte.

Frankfurter Beete: Gibt es Konflikte mit dem Grünflächenamt? Und wie reagieren Passanten auf euer Engagement?

Jurisch: Bisher hatten wir keine Probleme oder überhaupt einen Kontakt mit dem Grünflächenamt. Die Umweltdezernentin unterstützt das Urbane Gärtnern und das Grünflächenamt zeigt sich entspannt, wie wir es der Presse entnehmen konnten. Was die Passanten angeht: Nur wenige bleiben stehen und suchen das Gespräch. Die meisten denken vermutlich, die Pflege des öffentlichen Grüns liege in der Hand des Grünflächenamtes und kommen daher gar nicht auf die Idee, dass sie auf ihre Umgebung Einfluss nehmen könnten. Das ist sehr schade, denn der öffentliche Raum geht uns schließlich alle an – jeder sollte sich die Stadt ein Stück weit zu eigen machen.

Hier gibt es weitere Informationen zum Engagement des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Frankfurt und dem Thema Wildes Stadtgrün.

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